Mittwoch, 14. Dezember 2011

1 Über Quilten

Es lässt sich nicht sagen, welche Technik älter ist – Patchworken oder Quilten.
Das Schichten und Absteppen von Stoffen hat seinen Ursprung im Orient. Es kam dort zum Einsatz, um Textilen zu verstärken, als auch Decken und Bekleidung zum Schutz vor Kälte, Druck und anderen äußerlichen Einwirkungen herzustellen. Der dekorative Wert hat sich aus der Tatsache entwickelt, dass diagonale, zirkulare, spiralen- und wellenförmige Nähte den Stoffen eine stärkere Stabilität verleihen, als solche, die parallel zur Fadenrichtung laufen. Mit den Kreuzzügen wanderte die Technik vor ungefähr 800 Jahren nach Europa.
Patchwork oder pieced work, Flickwerk, Lappenarbeit, Mosaikarbeit wird aus unterschiedlichsten Materialen, die zur Verfügung stehen, zusammengesetzt; üblicherweise aus Resten und abgetragenen Stoffen, um Gebrauchsgegenstände für den hohen täglichen Einsatz herzustellen, wie Decken, Wandbehänge oder Bekleidungsstücke, aber auch Zelte oder Flaggen. Anlass für solche Kompositionen waren ursprünglich ökonomische Gründe, trotzdem werden ihnen neben dekorativen Eigenschaften in manchen Kulturen auch magische und symbolische Bedeutungen zugeschrieben.
Das am längsten überlieferte Beispiel ist ein ägyptischer Baldachin von 980 v. Chr..
Das alte Testament erzählt von Josephs (Sohn des Israel oder Jakob) regenbogenfarbenem Mantel, der in der Quiltgemeinschaft als erster Quilt gilt und in den pennsylvanischen Rainbow Quilts oder Joseph's Coats nachempfunden wird.



Der amerikanische Quilt

Die Geschichte der amerikanischen Quilts beginnt mit den Einwanderern. Quilts sind aus praktischen Gründen entstanden. Während der Kolonialzeit in den Vereinigten Staaten haben die Einwanderer Quilts produziert, um ihren Familien Schutz und Wärme zu spenden. Die Quilts wurden aber nicht einfach nach ökonomischsten Kriterien – also schnell, effizient und auf ihre Funktion ausgerichtet - sondern mit hohem gestalterischem, handwerklichem und zeitlichem Aufwand hergestellt. 
In der westlichen Kultur wird der produktiven Dimension einer Tätigkeit hohe Bedeutung geschenkt. Aufklärung und Reformation resultieren in der protestantischen Arbeitsethik, die sich auf die Betonung von Produktivität in Arbeit, Haushalt als auch Freizeit auswirkt. Viele der Einwanderer waren Teilnehmer einer protestantischen Glaubensgemeinschaft. 
Erholsame Tätigkeiten sind gleichzeitig angenehm, produktiv und stärkend. Sie bestehen aus einfachen, sich wiederholenden Handlungen. Sie produzieren persönliche Bedeutungen für ein Individuum in der Form von Ritual und Tradition, als auch historische oder persönliche Beziehungen zur Tätigkeit selbst. Quilts werden also aus unterschiedlichen Gründen verfasst:
- sie dokumentieren historische Bedeutung, Tradition und Ritual
- ihrer restorativen Eigenschaft wegen
- sie bieten Gelegenheit (ursprünglich für Frauen) sich zu sozialisieren und Gemeinschaften zu gründen - sie erzeugen Kameradschaft, (An)teilnahme, Verständnis
- und bringen eine Aktivität abseits des Alltags hervor 

Das Quilten beginnt mit dem Sammeln von Stoffen aus denen das Top (der Patchwork-Teil) hergestellt wird. Die Stücke werden in Designs zusammengenäht, die wiederum bedeutungsvoll für die Erzeuger_innen oder Empfänger_innen sind. Anschließend werden Patchwork-Komposition, Flies und Quilt-Rückseite zusammen gesteppt.

Der Legende nach hat George Washington seine Schneiderin Elizabeth Ross 1777 beauftragt die erste amerikanische Flagge wie einen Quilt nach einer Zeichnung zu entwerfen und zu nähen.



Quilting Bees und Quilt Study Groups

An den Quilts ist besonders interessant wie sie funktionieren. Produziert werden sie in Amerika traditionell in der Gruppe zu einem festlichen Anlass. Die Quilting Bees (heute quilt guilds) verbringen mehrere Tage gemeinsam an einer Patchwork-Decke; sie nähen, trinken Zitronenlimonade, hören Musik, tauschen sich aus. Die Produktion wird zum geselligen Ereignis, jeder schreibt sich im Verlauf individuell in die Handarbeit ein, die am Ende wie eine Chronik die geteilten Erfahrungen wiedergibt.
In weiterer Folge aber reisen Frauen auch regelmäßig zu den Quilt Study Group-Treffen, um ihre Projekte einander vorzustellen und Techniken auszutauschen; sie zeigen sich ihre Werke, indem sie diese vor Ort ausbreiten und gemeinschaftlich hochhalten. Ausgetauscht werden nicht nur Erfahrungen, Wissen und Ideen, sondern auch die Stoffe.
Manchmal werden alte Kleidungsstücke zusammengetragen und zu Memory Quilts verarbeitet. Auch dabei mischen sich die Materialien symbolisch für Erinnerungen, die mit ihnen verbunden werden.

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